Die Analystin | Vollmondblog #3 Juni22

Soll ich mich limitieren, weil sie es tut?

Da war ich also an einem Termin auf den ich mich gefreut hatte und meine Erwartungen zuvor bewusst low lies, da ich zwar hoffte, ich würde viel Neues über mich erfahren, jedoch auch wusste und weiss, dass ich mich selbst schon super kenne inkl. vieler meiner blinden Flecken. 
Die, ich nenne sie Analystin, begrüsste mich und bat mich zum Besprechungstisch. Sie fragte mich ob ich einen Stift zum Schreiben haben wolle. 
Noch bevor ich antworten konnte sagte sie, dass ich ja laut Typ der ich bin eh nichts zum Aufschreiben brauchen würde. 
Yes! Das ist so und dies bestätigte ich ihr. 

Selten war ich so offen und beinahe nicht kritisch wie bei dieser Erstbegegnung. Den Termin hatte ich nicht mit ihr vereinbart. Wir begegneten uns also ganz frisch. 

Ich bin ein sehr kritischer Mensch und bevor ich überhaupt zulasse, meine Einschätzung zu etwas zu geben oder der Einschätzung von jemand anderem zu vertrauen, muss man mir seine Kompetenz zeigen. 
Sehr schnell hatte die Analystin dies geschafft und ich sprudelte voller bestätigender Vergleiche, die sie, so vernahm ich es, als kritische Gedanken vernam. Als Zweifel vielleicht. 
Um so mehr sie also versuchte mir meine nicht vorhandenen Zweifel zu nehmen, um so stiller wurde ich.

Hier werde ich gerade nicht verstanden, bemerkte ich. 

Ich sagte mir in Gedanken, dass es nicht meine Verantwortung ist, nicht an mir liegt wie sie mich liest und wie sie ihren Job macht.
Ich öffnete mich der Analystin wieder. 
Die Analyse ging so weiter, einige Aha-Erlebnisse schenkten ihre Worte mir, schenkten mir Verständniss über blinde Flecken. 
Doch ausser ein kurzes Aha, lies ich es minimal komentiert. 
Ich nahm den Raum nicht mit meinem vollen Wesen ein. 

Nein ich machte mich kleiner, passte mich dem von ihr gegebenen Rahmen an. 

Etwas ganz normales, warum bedrückt es mich also bei diesem Termin?
Nun, dass Mensch sich in gewissen Situationen, punktuell verbiegt darf sein und ist wichtig das wir es können. Doch es gibt Situationen, Momente, Menschen da sollten wir uns selbst sein (können), den Raum einnehmen, der uns zu steht. 
Ich behaupte sogar, dass ein authentisches Leben nur möglich ist, wenn wir lernen möglichst oft und überall uns selbst zu sein. 
Ja, wie kleine Kinder die mitten durch ein 5 Sterne Restaurant brüllen, dass jemand bitte den Popo abwischen kommen soll. 

Während einer Analyse bei der es also um mich und mein ganzes Wesen geht, sollte ich also auch den Raum erhalten ich zu sein.

Doch da ist ein kleiner Fehler in dem Gedankengut. Ein kleiner blinder Fleck. 

Wer ist für meine Essenz, meine Grösse, meinen Raum den ich einnehme verantwortlich?
Wer entscheidet ob ich jetzt meine Grösse zeige oder nicht? 

Ja, klar ich! 
Und niemand hatte mich gebeten mich klein zu halten. Niemand hat verbal geäussert ich sei gerade zu viel. 

Ich habe also erwartet, dass sie mich erkennen soll bzw. Erwartet sie solle ihre Analyse noch mehr differenzieren, ohne ihr meine volle Grösse zu zeigen.
Indem ich mich also kleiner hielt, mir selbst den Mund verbot, verwehrte ich ihr, eine noch tiefere Analyse zu geben. 

Weil ich also ihren Stress spüren konnte und auf diesen mich kleiner machte, hatten wir beide nicht die bestmögliche Analyse.

Weil ich wahrnahm, dass die Analystin mich unterschätzte, sie mich limitierte. Limitierte ich mich selbst. 
Wem bitte dient es dies zu tun? 

Woher soll die Analystin denn wissen, dass sie mich limitiert und deswegen nur leicht an der (für mich) Oberfläche gekratzt hatte mit ihren trotzdem differenzierten Aussagen über mich?

Woher hätte sie erkennen sollen, dass sie noch viel mehr in die Tiefe hätte können, wenn ich nicht zuliess, dass sie mich hätte sehen können? 

Wem dient es sich also sich klein zu machen?

Niemanden, den Limitierungen im Innern führen immer nur zu Limitierungen im Aussen. 
Verwehre ich mich, verwehre ich also auch anderen ihr Potential.

So bin ich dankbar dafür, wiedereinmal mehr erkannt zu haben, dass ich mich limitiert hatte. 

Vielleicht wird mein Gehirn, meine Konditionierung durch u.a. unserer Gesellschaft
Irgendwan vollkommen ablegen können. Vielleicht eines Tages, kann ich einfach ich selbst sein, so gross, tief und raumeinnehmend wie ich bin. 
Immer. Ohne zu glauben es wäre irgendwie nötig, ehrvoll oder erwartet, dass ich mich klein mache. 


Grüsse zum vollen Mond

Jean de Carvalho